HELLO LADY
Aufrecht stehenden Schlangen gleich, die den Raum bevölkern, bildet Isabel Schmigas Rauminstallation ein geordnetes Feld aus versteiften Krawatten. Die Künstlerin schafft eine Gruppe von Paradoxa, indem sie das bequeme Material in etwas unflexibles, unbiegsames und aufrecht stehendes verwandelt. Die unheimlichen Skulpturen stehen bereit und zeigen dabei an die Decke. In erster Erwartung scheinen sie an Fäden hängend der Schwerkraft zu trotzen. Dabei ist es aber ihre unsichtbare selbst tragende Haltung, die den unschuldigen Stoffstücken ihre bedrohliche Strenge verleiht und so die expressiven farbigen Muster herausfordert. Da die Krawatten "freihändig" auf dem Boden stehen, wirken sie in ihrer prekären aufrechten Haltung gleichzeitig verletzlich. Man spürt ihre Immobilität. Der kleinste Schubs kann sie zum Umfallen bringen, und man kann sich auch leicht vorstellen, dass die Krawatten jeden Moment abschlaffen und dann als ein Haufen Klamotten auf dem Boden herum liegen.
Von der Konfektion für Geschäftsleute separiert, spielen die Krawatten ihre eigene Evolution durch, etwa die Evolution des Menschen vom vierbeinigen Wesen zum aufrechten zweifüßigen Homo sapiens. Indem sie über den höchsten Punkt auf Augenhöhe hinwegblicken, tritt der Betrachter in einen Wettbewerb mit ihrer Präsenz. In diesem Sinne inszeniert Isabel Schmiga die Rituale der Männlichkeit, die somatisch in Alltagsbegegnungen stattfinden. Auf ähnliche Art, wie sich eine Kobra aufrichtet, um ihren Gegner zu bedroh-
en, behauptet sich ein Mann in der Welt. Genau wie das herrschaftliche Auftreten des Staatsmannes die Gewalt symbolisiert, die sein Überleben ermöglicht, werden diese männlichen Bekleidungsstücke der Maßlosigkeit überantwortet, die sie gesellschaftlich verstecken sollen.
MATTHEW SCHUM
Curator in residence 2006, PLATFORM GARANTI, Istanbul
HELLO LADY CAN I HELP YOU - WHERE ARE YOU FROM?
2006
Krawatten, Stahlblech
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